Sexting: Sexualität und neue Medien Was man beim Sexten beachten sollte
Der Begriff "Sexting" setzt sich zusammen aus "Sex" und "Texting" (Englisch für das Senden von Textnachrichten) und meint das Verschicken und Tauschen von Nacktaufnahmen (Fotos/Videos) per Internet und Handy. Soweit zur Theorie. Doch wie sieht es in der Praxis aus?
Unsere Handlungen sind weitgehend selbstbestimmt: Wir wissen in der Regel über die Konsequenzen, von dem was wir tun, Bescheid. Dies gilt natürlich auch für die rechtlichen Folgen unserer Entscheidungen. Ein Beispiel: Wenn sich Jugendliche dazu entscheiden, im Supermarkt etwas mitgehen zu lassen, sind sie sich den drohenden Konsequenzen durchaus bewusst. Es ist ihre eigenmächtige Entscheidung, sie bestimmen selbst, ob sie das Risiko "erwischt" zu werden eingehen möchten und welche Folgen es haben könnte. Mittlerweile wird auch in Österreich durchaus, zumindest sehr allgemein vermittelt, ab wann Geschlechtsverkehr erlaubt ist.
Viele wissen nicht, was vom Gesetz her noch OK ist.
Was selbstverständlich klingen mag, ist beim Umgang mit digitalen Medien allerdings nicht ganz so einfach. Bekommen Jugendliche etwa Nacktfotos oder freizügige Videos auf ihr Handy geschickt, können Sie kaum beurteilen, was noch "OK" ist und ab wann Gesetze gebrochen werden und sie sich strafbar machen. Häufig fehlt überhaupt das Bewusstsein, das das Empfangen von Nachrichten überhaupt gegen Gesetze verstoßen könnte. Hier braucht es dringend Information, um Jugendlichen Handlungskompetenz zurück zu geben. Allerdings nicht nur in Bereichen, in denen sich Jugendliche selbst strafbar machen, sondern ganz besonders auch in Bereichen, in denen Jugendliche sehr häufig selbst zum Opfer werden. Gemeint ist hier vor allem der Bereich der sexuellen Belästigung und des sexuellen Missbrauchs online.
Eine aktuelle Studie von SOS-Kinderdorf und Rat auf Draht zeigt, dass 27% der 11-18-Jährigen bereits sexuelle Belästigung online erlebt hat. Sie halten dies für "normal" und sehen die Schuld bei sich selbst. Es gibt kein Bewusstsein, dass z.B. schon alleine die Aufforderung ein Nacktfoto zu schicken, bei unter 14-jährigen klar strafbar ist.
Der OGH hat in einem Urteil auch festgehalten, dass es z.B. bei einer schweren sexuellen Nötigung gleichwertig ist, ob die beiden Personen im gleichen Raum sind oder die Nötigung über eine Webcam geschieht. Dies alles müssen Jugendliche wissen, um einerseits zu erkennen, wann ihnen an Unrecht geschieht und auch, um zu wissen, wann sie gesetzliche Grenzen übertreten.
§207a StGB
Der §207a StGB soll Jugendliche eigentlich schützen, allerdings war er so formuliert, dass sich Jugendliche im Bereich Sexting reihenweise strafbar gemacht haben. Und das obwohl Sexting zu ihrem Recht auf eine selbstbestimmte Sexualität gehört. Durch mittlerweile drei Gesetzesanpassungen wurde hier wesentlich nachgebessert.
Mittlerweile ist §207a deutlich verbessert worden.
Das Gesetz gilt für Fotos und Videos von unter 18-Jährigen, die vom Gesetz her als pornografisch gelten. Als Kriterien werden hierfür vor allem heran gezogen, dass primäre Geschlechtsteile sichtbar sind und im Mittelpunkt der Aufnahme stehen (z.B. Mädchen, das mit gespreizten Beinen vor dem Spiegel sitzt und ihr Spiegelbild fotografiert) bzw. das geschlechtlichen Handlungen angedeutet bzw. gezeigt werden (z.B. Bursch, der sich mit dem Penis in der Hand fotografiert oder Jugendliche, die sich bei der Selbstbefriedigung filmen).
Demnach dürfen Jugendliche ab 14 selbst bestimmen, wie freizügig sie sich in Fotos und Videos jemandem zeigen möchten. Sobald sie am Foto / im Video bereits 14 sind, dürfen sie es, auch wenn es vor Gericht als pornografisch gilt, an Personen senden, die ebenfalls bereits 14 sind und diese Inhalte auch haben möchten. Diese Personen dürfen das Foto bzw. Video dann für sich selbst behalten. Allerdings machen sie sich strafbar, sollten sie die Inhalte weiterzeigen oder weitersenden.
Bekommen Jugendliche ein pornografisches Foto bzw. Video von einer Person unter 18 zugeschickt, dann dürfen sie es nur besitzen, wenn die Person, die auf dem Foto abgebildet ist, es ihnen auch selbst schickt! Zusätzlich muss die Person am Foto / im Video bereits 14 sein.
Sexting in der Praxis
Sexten ist ja grundsätzlich OK, warum auch nicht? Sexten kann ein schöner Bestandteil des Intimlebens sein. Damit es das auch bleibt, macht es Sinn ein paar Dinge für dich klar zu haben. Hier ein paar Tipps:
- Jeder und jede ist anders und das ist auch gut so. Lege deine Grenze fest und verschicke nur Fotos, bei denen du es aushalten würdest, wenn sie doch irgendwann öffentlich werden.
- Freizügige Fotos von anderen Personen weiterzuschicken, sollte definitiv ein „NoGo“ sein. Du überschreitest sonst klar eine Grenze, weil du damit eine andere Person bloßstellst. Du machst dich auch mit dem Weiterleiten strafbar. Achtung: Firmen hinter diversen Messengern geben bei Strafverfahren durchaus Informationen heraus. So hat Facebook z.B. über 4 Jahre zurück alle Jugendlichen an die Polizei gemeldet, die ein pornografisches Video von zwei 15-Jährigen über den FB Messenger weiter geleitet hatten!
- Achte auf das Alter der abgebildeten Person, wenn du pornographische Fotos oder Videos empfängst. Es gilt immer das Alter am Foto / im Video. Erst wenn die Person bereits 14 war, beim Erstellen des Fotos / des Videos, darfst du es bei dir gespeichert haben!
- Bist du auf pornografischen Aufnahmen noch nicht 14, dann darfst du sie nach deinem 14 Geburtstag nicht verschicken. Sonst würdest du dich selbst strafbar machen!
- Du darfst freizügige Bilder von anderen nur speichern, wenn sie dir die abgebildete Person selbst geschickt hat und sie auf dem Foto bereits mindestens 14 Jahre alt ist.
- Erhältst du ein Foto, dass du nicht haben darfst, dann lösche es direkt! Aus deiner Galerie, aus dem Messenger und aus deinem Papierkorb am Handy!
- Solange du noch nicht 18 bist, darfst du ab 14 immer nur solche freizügigen Fotos und Videos verschicken, auf denen du alleine abgebildet bist. Ist eine andere Person unter 18 mit auf der Aufnahme, darf diese Aufnahme ausnahmslos nicht weiter versendet werden! Auch dann nicht, wenn dir die Person, die schriftliche Erlaubnis gibt.
- Wirst du von der abgebildeten Person irgendwann doch zum Löschen des Fotos oder des Videos aufgefordert, dann musst du das auch tun. Und zwar möglichst bald. Lässt du es weiterhin gespeichert, machst du dich strafbar und die Person kann dich anzeigen.
Sicher sexten
Abgesehen von den gesetzlichen Bestimmungen ist eines ganz besonders wichtig: Achte auf deine Gefühle. Niemand sollte freizügige Fotos von sich schicken, weil er dazu gedrängt wurde. Nacktfotos sind auch kein „Vertrauensbeweis“ oder ein Zeichen von Zuneigung. Wenn du dich bei dem Gedanken, ein freizügiges Foto zu verschicken nicht wohlfühlst, mach es auch nicht. Viele sage, dass sie sich nicht so sicher waren, ob sie die Aufnahmen wirklich senden wollten. Es reicht schon, wenn du Bedenken hast. Wenn dich jemand wirklich gern hat, dann verlangt er oder sie von dir sicher nicht, dass du etwas tust, was du nicht möchtest.
Klar ist aber auch, wenn du selbst Lust dazu hast, dann muss sich die Person, der du die Fotos schickst, an die gesetzlichen Grenzen halten. Mach klar, dass die Person die Aufnahmen nur für sich haben darf! Du bist auch nicht schuld, wenn die Person sie weiterschickt! Mach dir keine Vorwürfe, wenn du dir denkst, dass das jetzt vielleicht doch Blödsinn war. Wir alle machen Fehler. Viel eher kommt es darauf an, für sich daraus etwas mitzunehmen. Hol dir Unterstützung, wenn du nicht mehr weiterweißt. Man ist kein „Opfer, wenn man sich Unterstützung holt (ganz im Gegenteil, eigentlich ist man dann stark). Viele melden sich erst dann, wenn schon so viel passiert ist. Je früher man sich meldet, umso mehr kann getan werden.
Verschicke nichts, von dem du es nicht aushalten könntest, wenn es öffentlich wird
Die individuellen Grenzen was noch „OK“ ist, sind bei jedem anders. Verschicke nichts, von dem du es nicht aushalten könntest, wenn es öffentlich wird. Freundschaften können sich verändern, Beziehungen enden und Versprechen gebrochen werden. Wer also wirklich sicher gehen möchte, dass seine Nacktbilder nicht in die falschen Hände gelangen, kann die Fotos am eigenen Handy behalten und sie einfach den anderen beim Treffen durchschauen lassen.
Du kannst dich auch an künstlerischen Aufnahmen orientieren, die zwar erotisch sind, aber nicht direkt alles zeigen. Vielleich ist gerade das dann noch reizvoller.
Elke Prochazka berät seit 17 Jahren Jugendliche bei 147 Rat auf Draht. Im Projekt SeXtalks 2.0 vereint sie ihre Expertise aus der psychologischen Beratung und ihrer Tätigkeit als Saferinternet.at Trainerin. Sie bildet europaweit MultiplikatorInnen im Bereich Sexualität und Internet fort.