Medikamentenabhängigkeit erkennen

Wie Sie eine Tablettensucht erkennen

Kennzeichen einer Medikamentensucht

Eine Medikamentenabhängigkeit kann schwierig zu erkennen sein. Angehörigen fällt es schwer, die Anzeichen der Sucht richtig zu deuten. Wir erklären, worauf Sie achten müssen.

Informationen Suchtmittel
Sucht
Lesedauer 5 Min.
Dieser Fachartikel wurde von einem Experten geprüft.
Letzte Aktualisierung:

Die Einnahme von Medikamenten ist üblicherweise ein sehr persönliches Thema. Als Angehöriger weiß man womöglich, dass ein Arztbesuch stattgefunden hat oder das Arzneimittel verschrieben wurden – man war aber nicht gemeinsam beim Arzt und die Anweisungen zur genauen Dosierung und Hinweise zur richtigen Einnahme und mögliche Gefahren sind nur an den Patienten ergangen.

Was soll man also tun, wenn man sich Sorgen um den Medikamentenkonsum eines Angehörigen macht?

Versuchen Sie herauszufinden, welche Medikamente Ihr Angehöriger nimmt. Nur wenige Medikamentengruppen können abhängig machen, eine Auflistung finden Sie hier.

Eine beginnende Tablettensucht erkennen

Eine Medikamentensucht ist gerade am Anfang schwierig zu erkennen. Da die Betroffenen zunächst lediglich die vom Arzt verschriebene Menge konsumieren gibt es scheinbar keinen Grund, eine Suchterkrankung zu vermuten. Dazu kommt, dass die Medikamenteneinnahme ja zur Behandlung eines Leidens verordnet wurde und eigentlich einen wichtigen Zweck erfüllt. 

Sollte man also nicht froh sein, dass der Angehörige sich an die Anweisungen des Arztes hält und sein Verhalten sogar unterstützen? 

Hier gilt es, die Sinnhaftigkeit des Arzneimittels zu hinterfragen. In der Regel werden Medikamente mit Suchtgefahr nur über einen kurzen, überschaubaren Zeitraum verordnet. Bei kurzer Behandlungsdauer ist die Suchtgefahr verhältnismäßig gering und der mögliche Nutzen groß. Allerdings sollte die Situation regelmäßig neu bewertete werden.

Stellen Sie sich dazu folgende Fragen:

  • Wie lange dauert die Behandlung bereits?
    Arzneimittel mit Suchtpotential sollten nur über einen kurzen Zeitraum angewendet werden. Je länger die Therapie dauert, desto größer ist das Risiko einer Abhängigkeit.
  • Wirken die Medikamente und erfüllen Sie ihren Zweck?
    Schon nach kurzer Zeit kommt es zu einer Toleranzentwicklung gegenüber dem Medikament. Die verminderter Wirksamkeit kann zu einer Dosissteigerung verleiten. Haben Sie Anzeichen bemerkt, dass die ursprüngliche Wirkung nicht mehr erreicht wird?
  • Hat der Betroffene die verordnete Behandlungsdauer womöglich eigenmächtig verlängert? Achten Sie darauf, ob die Therapie verlängert wurde. Warnsignale sind das eigenmächtige Verlängern oder Arztwechsel, um immer wieder an neue Verschreibungen zu kommen.
  • Hält sich Ihr Angehöriger an die verschriebene Dosierung?
    Wurde die Dosis seit Behandlungsbeginn erhöht? Geschah dies mit Einverständnis des Arztes? Viele Betroffene steigern die Menge der Medikamente eigenmächtig. Ein Hinweis kann etwa sein, wenn die verschriebenen Medikamente schon vor der nächsten ordnungsgemäßen Verschreibung aufgebraucht sind.

Eine niedrigdosierte Sucht erkennen

Eine sogenannte Niedrigdosisabhängigkeit ist eine Medikamentensucht ohne Steigerung der Dosis. Für Angehörige macht es das schwieriger, sie zu erkennen. Die Betroffenen halten sich an die Verordnung des Arztes, und entwickeln trotzdem eine Abhängigkeit. Allerdings sind die Kennzeichen der Sucht nicht so stark ausgeprägt und werden daher leicht übersehen. 

Als Angehöriger sollten Sie daher vor allem auf die Behandlungsdauer und eine womöglich verringerte Wirkung der Medikamente achten. Entzugserscheinungen sind ebenfalls möglich, sind aber während einer laufenden, kontinuierlichen Behandlung nicht immer erkennbar.

Warnsignale sind ein häufiger Arztwechsel, um immer wieder neue Verordnungen zu bekommen und eine auffällig lange Behandlungsdauer.

Weitere Informationen zur Niedrigdosisabhängigkeit erfahren Sie hier:

Was ist eine Niedrigdosisabhängigkeit?

Eine bestehende Medikamentensucht erkennen

Eine voll ausgeprägte Tablettensucht ist leichter zu erkennen. Die Symptome und Merkmale haben sich in der Regel über einen längeren Zeitraum entwickelt und treten nun stärker zu Tage.  Achten Sie auf folgende Merkmale:

  • Toleranzentwicklung
    Das Medikament verliert nach einiger Zeit an Wirksamkeit, man spricht von einer Toleranzentwicklung. Das Nachlassen kann man womöglich an einer Rückkehr der ursprünglichen Symptome erkennen, die sich zunächst durch die Behandlung verbessert haben.
  • Dosissteigerung
    Die Betroffenen versuchen in der Regel der Toleranzentwicklung mit einer Dosissteigerung entgegenzuwirken. Beobachten Sie, ob Ihr Angehöriger höher dosiert oder öfters konsumiert. Womöglich werden auch andere Präparate verwendet oder die verschriebenen Medikamente reichen nicht für die geplante Dauer aus.
  • Dauer
    Arzneimitteln mit Suchtpotential sollten nur so lange wie unbedingt notwendig eingenommen werden. Üblicherweise sind das einige Tage bis Wochen. Eine dauerhafte Einnahme über mehrere Wochen und Monate kann daher Hinweis einer Abhängigkeit sein.
  • Entzugserscheinungen
    Wie bei anderen Suchterkrankungen auch kann es zu Entzugserscheinungen kommen. Diese können je nach Wirkstoff anders ausfallen, achten Sie auf Symptome wie Schwitzen, Zittern, Angst, Schlafstörungen und Unwohlsein.
  • Psychische Symptome
    Häufige sind Veränderungen im Verhalten und Wesen der Betroffenen zu beobachten. Manchmal kommt es auch zu Teilnahmslosigkeit, Halluzinationen, Gedächtnisproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten oder Blackouts.
  • Körperliche Symptome
    Je nach Medikament kann es zu verschiedenen Langzeitschäden kommen. Diese können sehr unterschiedlich ausfallen, es empfiehlt sich daher die jeweiligen Arzneimittel anzusehen und sich gegebenenfalls weiter zu informieren.
  • Veränderter Alltag und Familienleben
    Das Leben der Betroffenen ist zunehmend von der Sucht bestimmt. Familie und Freunde werden vernachlässigt und es wird viel Zeit in die Beschaffung des Medikaments investiert. 

Typische Verhaltensweisen bei Medikamentenabhängigkeit

Häufig bemerken die Angehörigen Veränderungen im Verhalten und haben womöglich einen Verdacht oder eine Vermutung, was der Grund sein könnte. In vielen Fällen weiß man jedoch viele Dinge schlicht nicht: Psychische Symptome sind von außen schwer zu erkennen, Entzugserscheinungen nicht jederzeit beobachtbar. Und auch beim Arztgespräch ist man als Angehöriger normalerweise nicht anwesend, Details zu Dauer und Dosierung sind also unter Umständen nicht bekannt.

Versuchen Sie daher auf bestimmte, typische Verhaltensweisen zu achten:

  • Anlegen von Vorräten
    Sind Ihnen eine unerwartet große Menge an Medikamentenschachteln im Haushalt aufgefallen? Betroffene legen häufig Vorräte an, um einen stetigen Nachschub des Arzneimittels sicherzustellen. 
  • Suchtdruck
    Die Sucht beherrscht weite Teile des Denken und Handelns. Freizeitaktivitäten, Freunde und Familie werden vernachlässigt, alles wird der Sucht untergeordnet.
  • Gleichgültigkeit
    Die Betroffenen wirken gleichgültig, zwischenmenschliche Beziehungen verlieren an Wert und auch das eigene Dasein scheint ohne Bedeutung. Körperliche Schäden aber auch Beziehungsprobleme und Schwierigkeiten am Arbeitsplatz werden in Kauf genommen.
  • Lügen und Schwindeln
    Um weiter an Verschreibungen zu kommen werden Ärzte angelogen oder Rezepte gefälscht. Aber auch das wahre Ausmaß des Konsums wird heruntergespielt und bagatellisiert.
  • Leugnen
    Viele Suchtkranke leugnen zunächst die Abhängigkeit. Die Medikamenteneinnahme erfolge auf Anordnung des Arztes, diene der Gesundheit oder ist schlicht notwendig.
  • Scheitern
    Wenn sich Ihr Angehöriger seiner Sucht bewusst ist, hat er vermutlich bereits versucht, sie zu überwinden. In den meisten Fällen ist dies ohne Hilfe und Unterstützung nicht möglich, die Versuche scheitern, der Konsum kann nicht mehr kontrolliert werden.
  • DHS: DHS Suchtmedizinische Reihe Band 5: Medikamente
  • Thomas Geschwinde, Springer: 8. Auflage
Redaktionelle Bearbeitung: Benjamin Slezak
Erste Veröffentlichung:
Das könnte Sie auch interessieren:
Alles über Medikamentensucht
Abhängig von Schnupfenspray?
Die Abhängigkeit von Benzodiazepinen