Verlauf Alkoholsucht
Phasen des Alkoholismus
Nicht alle Alkoholerkrankungen verlaufen gleich. Allerdings gibt es auffällige Ähnlichkeiten, weshalb sich das Model eines Phasenverlaufs etabliert hat. Mittlerweile zwar leicht veraltet, bietet es doch einen groben Überblick über den Verlauf einer Alkoholsucht.
Es kann helfen, den Krankheitsverlauf des Alkoholismus in verschiedene Phasen zu gliedern. Aber Vorsicht: Auch wenn hier von 4 Phasen der Alkoholsucht gesprochen wird – eine einheitliche, allgemein gültige Entwicklung der Alkoholabhängigkeit gibt es nicht. Es ist schwierig, die unterschiedlichen Entstehungsgeschichten und Schicksale in einem einheitlichen Krankheitsverlauf abzubilden.
Allerdings zeigen die einzelnen Phasen die wechselhaften Probleme und Herausforderungen im Leben der Betroffenen. Der Tagesablauf eines Alkoholikers wird dadurch ein wenig nachvollziehbarer und für Angehörige einfacher zu verstehen.
Phase | Merkmale |
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Voralkoholische Phase |
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Anfangsphase |
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Kritische Phase |
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Chronische Phase |
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Voralkoholische Phase
In dieser Stufe ist der Alkoholkonsum weitgehend unauffällig, das Trinken findet etwa zu gesellschaftlichen Anlässen statt. Geburtstagsfeiern, ein Fußballspiel im Fernsehen oder gemütliches Zusammensitzen mit Freunden können etwa den Rahmen für gesellschaftlich akzeptiertes Trinken darstellen.
Der Alkoholkonsum ist weitgehend noch unauffällig.
Der spätere Alkoholiker empfindet durch das Trinken eine starke Befriedigung, es verschafft ihm Erleichterung und dient zum Spannungsabbau. Zunächst wird das erlebte Wohlbefinden den Umständen, etwa der ausgelassenen Stimmung oder der geselligen Runde zugeschrieben.
Im Laufe der voralkoholischen Phase suchen Betroffene zunehmend Gelegenheiten zum gesellschaftlich akzeptierten Trinken. Die gemeinsamen Trinkabende mit Freunden werden häufiger und der Alkoholkonsum rückt langsam in den Vordergrund. Gleichzeitig steigt die Alkoholtoleranz, es wird mehr konsumiert, der Trinker benötigt höhere Alkoholmengen um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Die meisten Menschen befinden sich viele Jahre in der voralkoholischen Phase ohne eine Alkoholsucht zu entwickeln. Das Trinkverhalten wird von der Umwelt als weitgehend „norma“" wahrgenommen. Ein kleiner Prozentsatz verliert jedoch zunehmend die Kontrolle über sein Trinkverhalten. Das zunächst zwanglose, beiläufige Trinken geht immer mehr in Missbrauch über. Am Ende der Phase trinken Betroffene deutlich mehr und häufiger als andere.
Wie erkenne ich als Angehöriger Alkoholismus?
Die Anfangs- oder Vorläufer-Phase
Immer öfters kommt es zu Kontrollverlust beim Trinken. Es kommt nun häufig zu Konflikten innerhalb der Familie oder am Arbeitsplatz. Der Stellenwert des Alkohols verändert sich allmählich, die Gedanken der Betroffenen kreisen immer häufiger um Alkohol. Dabei vermeiden sie das Thema anzusprechen, Fragen und Bemerkungen dazu werden meistens rasch abgetan ohne näher darauf einzugehen.
Die Gedanken der Betroffenen kreisen immer häufiger um Alkohol.
Stattdessen wird versucht die Menge des tatsächlich konsumierten Alkohol möglichst gering darzustellen, etwa durch "gieriges Trinken". Die Betroffenen leeren die ersten Getränke relativ rasch, sie kippen den Alkohol geradezu hinunter. Gegenüber dem Partner, Freunden und Kollegen kommt es häufig zu heimlichem Trinken. Ein Beispiel wäre etwa ein schnelles Glas Schnaps an der Bar ohne das Wissen der anderen.
Es treten nun bereits erste körperliche Symptome auf. Die Folgen sind Gedächtnislücken und fehlende Erinnerung. Der Alkoholkonsum fällt im persönlichen Gespräch kaum auf und auch komplexe Arbeiten können noch problemlos erledigt werden. Gedächtnisstörungen treten in dieser Phase vor allem erst am nächste Tag auf, Betroffene berichten dann von "Filmrissen" oder Blackouts.
Die prodomale Phase dauert zwischen 6 Monaten und etwa fünf Jahren.
Kritische Phase
Mit Anfang der kritischen Phase spricht man von Alkoholsucht. Herausragendes Kennzeichen ist der vollständige Kontrollverlust. Es kommt zu Spannungen mit Angehörigen und Freunden, der Alkoholiker zieht sich zunehmend zurück. Der Alkoholkonsum wird gegenüber der Umwelt häufig verleugnet, Betroffene leben in einer Art Selbstbetrug.
Alkoholiker erleben diese Phase als psychische Belastung. In Anbetracht der nun kaum noch zu leugnenden Folgen des Alkohols wird Ihnen bewusst, dass sie die Kontrolle über ihr Trinkverhalten verlieren. Es plagen sie Gewissensbisse und Enttäuschung über fehlgeschlagene Versuche ihren Alkoholkonsum zu verringern.
Nach Eintritt der kritischen Phase ist der Alkoholiker nicht mehr in der Lage sein Verlangen nach Alkohol zu steuern. Bereits eine kleine Menge, etwa ein Glas Wein, reicht aus um ein unwiderstehliches Verlangen auszulösen. Betroffene empfinden es als Zwang, sie “brauchen” den Alkohol.
Der Kontrollverlust bedeutet allerdings nicht, zu jeder Zeit trinken zu müssen. Vielmehr wird der Drang erst durch initiales Trinken ausgelöst. Der Alkoholiker ist also durchaus in der Lage längere Perioden ohne Alkoholkonsum durchzuhalten. Es kommt zu teilweise wochenlanger Abstinenz, in der versucht wird, die Kontrolle über das Trinkverhalten wiederzuerlangen. Diese Versuche sind in der Regel wenig erfolgreich. Der Trinker ist zu diesem Zeitpunkt bereits alkoholkrank, er schafft es nicht seinen Konsum langfristig zu kontrollieren.
Als Erklärung für das wiederholte Scheitern werden nun Gründe und Ursachen gesucht. Ein schlechter Tag in der Arbeit, eine schwierige Woche oder Stress mit dem Partner – es sind stets vorübergehende Umstände, welche den Alkoholkonsum “notwendig” machten. Der Selbstbetrug stellt die einzige mögliche Lösung dar, er hilft den Betroffenen mit den nun häufiger werdenden Probleme im sozialen Umfeld fertig zu werden. Nicht der Alkoholiker selbst, sondern die "Umstände" wären schuld an den Problemen.
Dieses System an Erklärungen und Gründen führt zu Veränderungen im Auftreten gegenüber der Umwelt. Um sich selbst zu beweisen, dass alles in Ordnung sei und man gut funktioniere, wird eine große Selbstsicherheit an den Tag gelegt. Zwar nagen im Inneren Selbstzweifel und Unsicherheit, nach außen wird versucht dies durch großspurige Reden und verschwenderisches, gönnerhaftes Verhalten zu kompensieren.
Es kann zu aggressivem Benehmen kommen.
Da die Schuld der Umwelt und "den anderen" zugeschrieben wird, kommt es häufig zu aggressivem Benehmen gegenüber dem Umfeld. Vorwürfe aus der Familie und Freundeskreis erhöhen den sozialen Druck zusätzlich. Es kommt zu Konflikten mit Freunden und am Arbeitsplatz. Die wiederholten Feindseligkeiten führen häufig zum Bruch von Beziehungen. Der Alkoholkranke wendet sich zunehmend von alten Freunden ab und ist weitgehend isoliert.
Trotz aller Erklärungen, Begründungen und Ausreden kommt es zu einem Verlust der Selbstachtung. Traten Gewissensbisse und Schuldgefühle in der Anfangsphase nur vorübergehend auf, führen die wiederholten Rückfälle nun zu einer dauerhaften Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls. Dies äußert sich auch in einem tiefen Selbstmitleid, die Umstände werden bedauert.
Eine weitere Folge des Alkoholismus: Das Liebesleben und der Sexualtrieb leiden ebenfalls. Spannungen mit dem Ehepartner nehmen zu, der verringerte Selbstwert führt zu Vorwürfen von Untreue und Eifersucht.
Der Alkoholiker reagiert darauf mit seiner gewohnten Problemlösung: dem Trinken als “Seelentröster”, ein Teufelskreis entsteht.
Durch das nun anhaltende Bedürfnis nach Alkohol verändert sich das Trinkverhalten. Es wird bereits am Morgen getrunken um "durch den Tag zu kommen". Vorräte und Verstecke werden angelegt, Alkohol muss stets verfügbar sein.
Häufig wird der eigene Körper und eine angemessene Ernährung vernachlässigt. Es kommt es zu einseitiger, ungesunder Ernährung bei allgemein reduziertem Appetit. Die Folgen können körperliche und organische Schäden sein.
Das Trinken hat nun oberste Priorität, Beruf und Freizeit müssen sich dem Trinkverhalten anpassen. Frühere Hobbys und Freizeitaktivitäten werden eingestellt. Der Alkoholiker zeigt sich desinteressiert und unwillig. Alkohol ist zum zentralen Bestandteil des Lebens geworden, der Widerstand des Alkoholikers ist am Ende der kritischen Phase völlig zusammengebrochen. Er ist nun sowohl psychisch als auch körperlich abhängig.
Endstadium Alkoholiker (Chronische Phase)
In der Endphase der Alkoholsucht stellen sich nun ernste körperliche Schäden und ein kognitiver Abbau ein. Häufig geht damit ein gesellschaftlicher und sozialer Abstieg einher. Der Alkoholiker hat kaum noch Kontrolle über sein Trinkverhalten, oft tagelange Räusche sind die Folge. Komplexe Tätigkeiten sind nicht mehr möglich, zumeist kann keiner geregelten Arbeit mehr nachgegangen werden.
Es kommt zu einem Verlust der Alkoholtoleranz. Bereits relativ geringe Menge führen jetzt zu Rauschzuständen, diese dauern jedoch deutlich kürzer als früher. Die Abständen zwischen den Räuschen, bei denen nun wie besessen getrunken wird, verkürzen sich.
Neben den körperlichen Auswirkungen der Alkoholsucht sind vor allem psychische Störungen auffällig. Sinkt der Alkoholspiegel unter das gewohnte Niveau treten deutliche Entzugserscheinungen auf.
Entzugssymptome bei Alkoholismus
Der komplette Verlust der Selbstachtung führt häufig zu einem sozialen Abstieg. Um den wiederkehrenden Vorwürfen seiner Umwelt zu entgehen, sucht sich der Alkoholiker ein neues soziales Umfeld, in dem keine Beurteilung seines Verhaltens stattfindet. Trinkkumpanen, weit unterhalb des früheren Niveaus, bilden nun den neuen Freundeskreis.
Das zuvor aufgebaute System an Erklärungen und Gründen für die Sucht bricht allmählich zusammen, das eigene Scheitern wird eingestanden. Aus Mangel an Erklärungen kann es auch zu religiösen Überzeugungen und Wahnvorstellungen kommen.
Die schlechte körperliche und geistige Verfassung im Endstadium führt zu regelrechten Zusammenbrüchen, welche so schwer sein können, dass ärztliche Behandlung unbedingt notwendig ist. Im Verlauf dieser Phase muss an einen möglichen Tod des Alkoholikers gedacht werden.
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Blaues Kreuz:
Entstehung und Behandlung der Alkoholkrankheit
(Online, letzer Zugriff am )
- Handbuch Alkohol – Österreich, 3. Auflage
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