Das erste Mal beim Psychiater
Was Sie beim Erstgespräch bei einem Psychiater erwartet
Der erste Besuch beim Psychiater löst bei vielen Menschen Ängste aus. Sie wissen nicht genau, was sie erwartet und wie sie sich verhalten sollen. Wir möchten Sie ein wenig darauf vorbereiten und Ihnen eine Vorstellung geben, wie ein Erstgespräch beim Psychiater abläuft.
Das Wichtigste gleich zuerst: Es gibt keinen Grund, nervös oder ängstlich zu sein. Auch wenn die Ursache für den Besuch womöglich unangenehm und problematisch ist, das Gespräch wird in der Regel freundlich und entspannt ablaufen.
Eine Unterhaltung mit Ihrem Psychiater unterscheidet sich prinzipiell nicht von einem Gespräch mit einem anderen Arzt – nur, dass der Psychiater sich üblicherweise mehr Zeit nimmt. Damit Sie Ihrem Termin optimistisch entgegenblicken können, sehen wir uns kurz an, was Sie dort erwartet.
Womöglich denken Sie sich bei einigen Ratschlägen, dass diese gar nicht notwendig wären. Das mag sogar stimmen, denn Ihr Besuch beim Psychiater wird auch ohne die Lektüre dieses Artikels gut verlaufen.
Manchmal fühlt es sich aber besser an, sich vorher informiert zu haben. Eine „Vorbereitung“ auf Ihr Gespräch ist eigentlich nicht notwendig. Überlegen Sie sich einfach, was Sie gerne besprechen würden – das hilft, im Laufe des Gesprächs nichts zu vergessen.
„Sie“ oder „Du“?
Üblicherweise ist man per „Sie“. Hin und wieder kann es auch Ausnahmen geben, etwa auf Ihren ausdrücklichen Wunsch hin. Mit einem „Sie“ ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Das „Sie“ hilft auch, einen gewissen professionellen Abstand zu wahren und sorgt für eine höfliche Gesprächsführung.
Wenn Sie das „Du“-Wort bevorzugen, sprechen Sie es einfach an. Bei Kindern und Jugendlichen ist man zunächst ebenfalls per „Sie“. Jedenfalls sollte der Psychiater fragen, ob „Du“ oder „Sie“ bevorzugt wird, bevor auf „Du“ gewechselt wird.
Dauer des Erstgesprächs
Ein Erstgespräch dauert etwa 50 Minuten. Sie werden genügend Zeit haben, alle wichtigen Themen in Ruhe zu besprechen. Manchmal braucht es aber auch mehrere Gespräche bis der Psychiater den Klienten, seine Situation und das Problem in allen Details versteht.
Manche Klienten finden es beim Erstgespräch schwierig, über bestimmte Themen zu sprechen. Es ist also durchaus möglich und auch üblich, mehr als ein (Erst-) Gespräch mit dem Psychiater zu führen.
Das persönliche Problem
Vermutlich gibt es einen spezifischen Grund, weshalb Sie sich an einen Psychiater wenden. Häufig handelt es sich dabei um sehr persönliche Dinge, über die man normalerweise nicht offen reden würde. Vielen fällt es daher schwer – quasi auf Knopfdruck – ihr Problem zu formulieren und auf den Punkt zu bringen. Womöglich schämen Sie sich auch und möchten manche Dinge gar nicht direkt ansprechen.
Es gilt die Verschwiegenheitspflicht. Sie können offen über alles sprechen.
Wenn Sie es lieber vermeiden würden, konkret auf Ihr Problem einzugehen oder Bedenken haben, es einem Fremden anzuvertrauen: keine falsche Scham. Es gibt vermutlich nichts, das Ihr Psychiater nicht in der einen oder anderen Form schon gehört hat. Es gibt also keinen Grund, nicht auch unangenehme Dinge auszusprechen. Alles was gesagt wird bleibt vertraulich. Es muss Ihnen also nichts peinlich sein, Ihr Psychiater kennt diese Probleme vermutlich schon seit vielen Jahren.
Üblicherweise fühlen sich Patienten durch Ihre Probleme stark belastet. Es macht also Sinn, gleich beim ersten Kontakt darüber zu sprechen. Erzählen Sie einfach, was Ihnen am Herzen liegt. Wenn der Psychiater danach noch Fragen hat, wird er diese vorsichtig und empathisch stellen. Sein Ziel ist es, ein möglichst vollständiges Bild Ihrer Lage zu bekommen.
Ihr persönlicher Hintergrund
Psychische Erkrankungen können sehr individuelle Aspekte aufweisen. Aus diesem Grund sollten Sie auch auf Ihre persönliche Geschichte eingehen. Wenn Sie das Gefühl haben, es könnte hilfreich sein, sprechen Sie ruhig über Dinge wie Ihre Lebenssituation, familiäre Verhältnisse, Beziehung, Krankengeschichte oder berufliche Tätigkeiten.
Im Zweifelsfall lieber zu viel als zu wenig erzählen.
Wenn Sie unsicher sind, ob Sie ein bestimmtes Thema überhaupt erwähnen sollten: Ja, wenn es Sie beschäftigt, sollte es auch beachtet werden. Sie helfen damit dem Psychiater, Ihre Bedürfnisse und Wünsche besser zu verstehen. Sie sollten alles ansprechen, das Ihnen wichtig erscheint. Im Gespräch mit dem Psychiater können Sie nichts Falsches äußern.
Körperliche Beschwerden
Ihr Psychiater ist auch Mediziner. Sie sollten daher auch von Ihren körperlichen Leiden berichten, selbst wenn sie auf den ersten Blick scheinbar nicht mit Ihren psychischen Problemen zusammenhängen. Für den Psychiater sind diese Begleiterscheinungen genauso wichtig wie Ihre Gedanken und Gefühle.
Typische Fragen
Was sind nun typische Fragen, die man gestellt bekommt? In erster Linie werden sie sich natürlich um Ihr konkretes Problem handeln. Da diese Fragen je nach Art der Beschwerden unterschiedlich sein können hier ein Beispiel:
Angenommen Sie kommen wegen einer Depression.
- Wie gut schlafen Sie?
- Wie geht es Ihnen mit der Energie für die täglichen Aufgaben des Alltags?
- Grübeln Sie häufig?
- Worüber grübeln Sie?
- Was bereitet Ihnen Sorgen?
Wenn Ihnen eine Frage unangenehm ist oder seltsam vorkommt, müssen Sie natürlich nicht antworten. Sagen Sie stattdessen einfach, weshalb Sie die Frage lieber nicht beantworten möchten.
Darüber hinaus wird häufig über folgende Themenbereiche gesprochen:
- Suchtmittel / Drogen: Fragen zu Alkohol-, Nikotin- und Drogenkonsum werden bei jedem Erstgespräch gestellt. Sie helfen das Problem bzw. die Art wie jemand mit seinen Problemen umgeht, zu verstehen. Darüber hinaus ist es wichtig, den Substanzkonsum des Klienten zu kennen, falls ein Medikament verordnet werden muss. Fragen nach Substanzkonsum sind niemals wertend gemeint.
- Sexualität: Auch sexuelle Themen kommen bei psychischen Problemen häufig vor. Ein guter Psychiater sollte schon beim Erstgespräch auf eventuelle sexuelle Probleme eingehen. Die Nebenwirkungen mancher psychiatrischer Medikamente können auch das Sexualleben beeinflussen. Daher kann es notwendig sein, eventuell bestehende sexuelle Probleme nachzufragen. Das hat nichts mit Neugierde zu tun – nur so kann der Psychiater sicher gehen, dass er (falls nötig) das richtige Medikament verordnet.
- Kinder / Familie: Fragen zu Kindern bzw. Familie gehören zum Verständnis der Gesamtsituation des Klienten und kommen daher regelmäßig vor.
- Krankengeschichte: Welche Medikamente werden derzeit eingenommen? Leiden der Klient an chronischen Erkrankungen? Gab es ähnliche Erkrankungen in der Familie?
Nach dem Erstgespräch
Viele Klienten fühlen sich bereits nach dem ersten Gespräch erleichtert. Es ist ein gutes Gefühl über belastende Dinge gesprochen und die Meinung eines Experten gehört zu haben. Schon beim ersten Gespräch sollte geplant werden, wie es mit der Therapie weiter geht. Diese Aussicht auf eine baldige Besserung wird bereits oft als hilfreich empfunden.
Ihr Behandlungsplan kann individuell gestaltet sein. Ein Besuch beim Psychiater bedeutet nicht, immer ein Medikament verschrieben zu bekommen. Es kann sein, dass Ihr Psychiater empfiehlt einen Therapeuten aufzusuchen.
Die Anzahl der notwendigen Besuche kann individuell sehr unterschiedlich sein. Manchmal reicht ein Gespräch zur Abklärung, unter Umständen braucht man aber auch mehrere (dann kürzere) Termine.
Viele Psychiater sind auch Psychotherapeuten oder „Fachärzte für Psychotherapeutische Medizin“. Sie können und dürfen dann auch eine psychotherapeutische Behandlung anbieten. In diesem Fall kann der Psychiater die Psychotherapie mit regelmäßigen Terminen über einen längeren Zeitraum übernehmen.
In der Regel wird der Therapieplan und die Anzahl der vermutlich benötigten Termine beim Erstgespräch besprochen und gemeinsam mit dem Klienten festgelegt.
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