Depressiver Partner
Depressionen in einer Beziehung
Eine Beziehung mit einem depressiven Partner ist nicht immer leicht. Man möchte helfen, weiß aber nicht wie. Dazu kommt häufig die Sorge um eine gemeinsame Zukunft: Wird es immer so bleiben? Ist es nur eine Phase die vorübergeht? Vielen stellt sich dann die Frage, ob eine Beziehung mit einem depressiven Partner überhaupt funktionieren kann.
Das Wichtigste in Kürze
- Informieren Sie sich über die Krankheit, das hilft den Partner besser zu verstehen.
- Achten Sie auf Ihre eigenen Bedürfnisse.
- Es ist manchmal schwierig, zwischen „nicht können“ und „nicht wollen“ zu unterscheiden.
- Die Frage der Beziehungsfähigkeit ist nicht immer einfach zu beantworten.
- Beachten Sie unsere Ratschläge und haben Sie Geduld.
- Gemeinsame Kinder benötigen besondere Aufmerksamkeit und eine kindgerechte Aufklärung.
Befinden Sie sich gerade in einer Beziehung mit einem depressiven Partner? Womöglich wissen Sie bereits über die Erkrankung Ihres Partners Bescheid? Vielleicht haben Sie aber auch erst vor kurzem die ersten Anzeichen bemerkt und möchten nun wissen, wie es weitergeht?
Mein Partner hat Depressionen
Das Leben mit einem depressiven Partner verläuft oft nach ähnlichen Mustern. Die Probleme sind bekannt und man wartet, dass es sich bessert. Doch meistens vergehen Wochen und Monate ohne spürbare Veränderungen. Mit der Zeit beginnt man langsam am Willen des anderen zu zweifeln. Selbst wenn sich die Lage für eine Weile gebessert hat, kommt es nach einigen Monaten doch wieder zu einem neuen Tief.
Die depressive Erkrankung stellt für beide Partner eine massive Belastung dar. Daher sollten Sie sich – wie bei anderen Erkrankungen auch – zwei Fragen stellen:
- Wie kann dem Partner geholfen werden?
- Wie kann ich selber besser mit der Situation umgehen?
Den depressiven Partner verstehen
In einer Beziehung ist es manchmal schwierig, den Partner zu verstehen. Leidet der anderen zusätzlich an Depressionen, wird es noch schwieriger. Womöglich haben Sie bei Gesprächen Sätze wie „Du verstehst das einfach nicht.“ gehört. Zum Teil stimmt dies leider – als Außenstehender kann man sich oft nur schwer in die Gefühlswelt einer depressiven Person hineinversetzen. Von außen betrachtet hätten die betroffenen Personen ja zumeist keinen Grund, das Leben nicht zu genießen.
Es ist wichtig, die Depression als Krankheit zu verstehen. Es handelt sich um eine sogenannte „affektive Störung“. Das bedeutet, die Krankheit betrifft die Stimmung und Gefühle, aber auch körperliches Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Kommunikationsbereitschaft des Partners.
Nun sind viele der depressiven Symptome auch für gesunde Menschen durchaus normal. Jeder ist manchmal lustlos oder abgeschlagen. Bei einer affektiven Störung sind diese Stimmungstiefs jedoch nicht aufhellbar. Während normalerweise Dinge wie Zuneigung, soziale Kontakte und partnerschaftliche Liebe zu einer Besserung der Stimmung führen, zeigen depressive Patienten kaum emotionale Reaktionen.
Das macht es schwierig, sich in die Lage des anderen hineinzuversetzen. Man weiß aus eigener Erfahrung, wie man emotional „funktioniert“. Traurige Erlebnisse drücken unserer Stimmung, gehen mit der Zeit aber vorüber. Wir haben gelernt, damit umzugehen, können uns beispielsweise ablenken oder widmen uns schönen Dingen im Leben.
Was uns aber als „normal“ erscheint, trifft auf depressiven Menschen nicht zu. Trauriges macht nicht traurig und schöne Dinge verschaffen keine Freude. Die Emotionen sind stark verflacht. Betroffene erleben also kaum tiefgehende Gefühle. Dies betrifft sowohl angenehme Emotionen wie Liebe oder Freude als auch negative Gefühle wie Trauer oder Ärger.
Die Erfahrungen von gesunden Menschen stimmen also nicht mit dem Empfinden des depressiven Partners überein.
Depression und Beziehungsfähigkeit
Eine Depression beim Partner ist immer eine Herausforderung. Während es auch bei gesunden Menschen immer wieder zu kurzen Phasen emotionaler Kälte und Distanziertheit kommt, macht vielen Paaren die Dauer der Erkrankung zu schaffen. Wenn Liebe und Gefühle über einen längeren Zeitraum wie erloschen wirken, macht sich häufig auch zunehmend Hoffnungslosigkeit beim Partner breit. Viele zweifeln dann an der grundsätzlichen Beziehungsfähigkeit des anderen.
Lassen Sie sich nicht von der Hoffnungslosigkeit anstecken.
Das Leben mit einem depressiven Partner ist nicht einfach und kann schnell überfordern. Hier ist es wichtig, sich nicht von der Hoffnungslosigkeit „anstecken“ zu lassen. Häufig steht man vor dem Problem, dass man selber Wut, Verärgerung oder Enttäuschung erlebt, diese jedoch nicht ausleben kann. Dann macht es auch wenig Sinn, den Partner mit der eigenen Enttäuschung zu konfrontieren. Vermutlich würden sich dessen Depressivität und Schuldgefühle nur verstärken.
Häufig leidet man selber mit. Eine Beziehung ist auch auf emotionaler Nähe, Vertrautheit und Liebe aufgebaut. Wenn diese Dinge langfristig fehlen, ist es verständlich, an der Beziehungsfähigkeit zu zweifeln. Der Partner kann auf Zuneigung und liebevolle Fürsorge nicht adäquat reagieren – sein Verhalten wir dann oft als „Lieblosigkeit“ interpretiert und führt zu weiteren Spannungen in der Beziehung.
Halten Sie sich vor Augen, dass es sich um keine absichtliche emotionale Abweisung handelt, sondern eine Folge der affektiven Störung. Die depressive Verstimmung kann auch die Kommunikationsfähigkeiten des Partners herabsetzen. Wenn in der Beziehung dann weniger gesprochen wird, kann dies auch ein Symptom der Depression sein und hat nicht unbedingt mit Ihnen zu tun.
Vor allem sollten Sie auch auf das eigene Wohlbefinden achten. Es ist kein Zeichen von Schwäche, um Rat zu fragen oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Vergessen Sie nicht, dass Depressionen behandelbar und heilbar sind. Zeigen Sie Verständnis, aber achten Sie dabei immer auf Ihre eigenen Grenzen.
Hier gilt: Es ist gut und wichtig, wenn Sie Ihrem Partner helfen möchten. Aber Sie sind auch für Ihr eigenes Leben verantwortlich. Manchmal kann ein Ende der Beziehung die richtige Entscheidung sein. Dann kann es hilfreich sein, zunächst das Gespräch mit einem Therapeuten oder einer anderen Beratungseinrichtung zu suchen. So vermeiden Sie übereilte Entschlüsse und beseitigen mögliche Zweifel, das Richtige getan zu haben.
Egal wie Sie sich entschließen: Ihre Entscheidung ist immer die Richtige. Es ist gut, wenn Sie helfen möchten aber wenn es nicht mehr geht, geht es nicht mehr.
Nicht können vs. nicht wollen
Wahrscheinlich haben Sie schon öfter versucht, Ihren Partner zu bestimmten Aktivitäten zu motivieren: Sei es Freizeitaktivitäten zu setzen, Aufgaben zu erledigen oder sich um Hilfe umzusehen. Meistens werden Sie dabei wohl auf Unwillen gestoßen sein, manchmal war es vielleicht sogar ein richtiger Kampf. Dabei passiert es leicht, das Verhalten als „nicht wollen“ abzutun.
Das „nicht wollen“ ist häufig jedoch ein „nicht können“. Doch wie kann man sich das vorstellen? Es fällt vielen schwer zu verstehen, warum man beispielsweise einen Spaziergang an einem schönen Frühlingsnachmittag nicht machen „kann“. Was oder wer hindert einen daran? Hat denn nicht jeder seinen freien Willen und würde auch können, wenn er auch wollte?
Hier kommt es leicht zu Missverständnissen. Depressionen sind eine Krankheit und der depressive Patient kann sich tatsächlich kaum zu etwas motivieren. Wenn Ihr Partner einen gebrochenen Fuß hätte, wäre es klar: Gehen verursacht Schmerzen und damit wäre ein gemeinsamer Spaziergang nicht möglich. Bei Depressionen ist es ähnlich, nur dass es eben ein seelisches Leiden ist.
Motivationsschwierigkeiten, fehlende Energie und Lustlosigkeit sind Symptome der Krankheit. Sie als Partner stehen vor der Herausforderung diese richtig zu deuten und zu erkennen, wann es wirklich keinen Sinn hat den anderen zu etwas zu drängen.
Depressive sind häufig sehr leistungsorientierte Menschen. Sie leiden nicht nur unter dem eigenen Unvermögen, sondern auch daran, Ihre eigenen Ziele nicht zu erreichen.
Umgang mit depressiven Menschen
Vermutlich haben Sie schon einiges selbst versucht und Ihre eigenen Erfahrungen gemacht. Hier sind diverse Dinge, die wenig erfolgsversprechend sind:
- Stellen Sie keine Ultimaten, verzichten Sie auf zu großen Druck oder aggressives Auftreten.
- Kümmern Sie sich nicht um alles, vermeiden Sie überfürsorgliches Verhalten.
- Lassen Sie sich nicht von der depressiven Stimmung anstecken.
- Bleiben Sie optimistisch, aber nicht überoptimistisch, etwa indem Sie eine rosige Zukunft schildern.
- Streiten Sie nicht um unterschiedliches emotionales Erleben.
- Versuchen Sie nicht, dem Betroffenen einzureden, dass es ihm besser gehe, als er meint.
- Vermeiden Sie Urlaube und Partys um zu zeigen „wie schön das Leben doch sein kann“.
- Unterlassen Sie das Bagatellisieren von Problemen („Es ist ja gar nicht so schlimm.“).
Was einen Versuch wert ist:
- Haben Sie Geduld.
- Nehmen Sie optimistischen Bemerkungen unterstützend und wohlwollend wahr.
- Lassen Sie Ihre eigene Enttäuschung zu, leben Sie sie aber nicht am Partner aus.
- Motivieren Sie zu gemeinsamen Aktivitäten, ohne zu überfordern.
- Gestalten Sie den Tagesablauf mit und planen Sie gemeinsame Zeit ein.
- Zeigen Sie Verständnis, Akzeptanz und Wertschätzung.
- Fördern Sie Änderung der Lebensbedingungen.
- Bieten Sie Unterstützung bei einer Therapie an und helfen Sie bei der Therapiesuche.
Je nach Schweregrad der Depression sollten Sie nicht allzu viel Eigeninitiative erwarten. Dies sollte auch beachtet werden, wenn es um die Frage einer Therapie oder einem Arztbesuch geht. Eine Behandlung macht nur Sinn, wenn Ihr Partner das auch möchte. Sie können die Entscheidung aber erleichtern, indem Sie Hindernisse aus dem Weg räumen: Machen Sie zum Beispiel einen ersten Termin beim Psychiater aus und begleiten Sie Ihren Partner bei den ersten Besuchen.
Bei schweren Fällen ist immer auch auf eine mögliche Selbstmordgefahr zu achten.
Dem depressiven Partner helfen
Auch wenn man sich in der Beziehung der Depression gegenüber oft hilflos fühlen mag, Ihre Unterstützung kann eine große Hilfe sein.
Wenn Sie sich gerade erst kennengelernt haben und frisch verliebt sind, wird die depressive Verstimmung womöglich in den Hintergrund rücken. Versuchen Sie diese aufregende Zeit zu nutzen, um womöglich ein wenig Antrieb für eine Therapie zu geben. Junge Beziehungen sind auch immer der Beginn von etwas Neuem, vielleicht kann man dies zum Anlass nehmen, eine Therapie zu beginnen oder sich alten Problemen zu stellen.
Wenn Sie Ihren Partner schon viele Jahre kennen, werden Sie auch dessen Depressionen kennen. Vermutlich haben Sie das Thema bereits häufig besprochen und versucht zu helfen. Aber auch wenn Sie damit nicht immer erfolgreich waren – es ist gut und sinnvoll. Familie und Partnerschaft sind wichtige soziale Netze für die Betroffenen. Sie helfen nicht nur bei der Bewältigung der Krankheit, sondern schützen auch vor weiteren, schlimmeren Verläufen.
Ihre Zeit und Energie ist also gut investiert – auch wenn es nicht immer danach aussehen mag. Vergessen Sie dabei aber nicht, dass Ihr persönliches Wohlbefinden an erster Stelle stehen sollte. Hilfe ist gut und wichtig, Sie sollten aber nicht selbst darunter leiden. Wenn die Beziehung zu einer Belastung wird, Sie an Ihre Grenzen stoßen oder nicht mehr weiter wissen ist womöglich der Zeitpunkt gekommen, sich selber nach Hilfe umzusehen.
Vergessen Sie nicht auf Ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche. Nur wenn Sie selbst ein zufriedenes Leben führen, werden Sie auch die Kraft haben Ihrem Partner zu helfen.
Achten Sie auch darauf, dass keine wichtigen Entscheidungen während einer depressiven Episode getroffen werden. Wenn möglich sollten Dinge wie die Kündigung des Arbeitsplatzes, Aufnahme von Krediten oder andere schwerwiegende Beschlüsse bis zu einer Verbesserung der Stimmung aufgeschoben werden.
Familie und Kinder
Wenn Kinder im gemeinsamen Haushalt leben, müssen sie über die Erkrankung des Elternteils informiert werden. Je nach Alter des Kindes bzw. der Kinder sollte mehr oder weniger genau auf die Erkrankung eingegangen werden. Bei jungen Kindern reicht es, allgemein von einer Erkrankung zu sprechen, z.B.:
„Der Mutter / dem Vater geht es gerade nicht so gut, weil er / sie krank ist. Der Doktor wird ihr / ihm aber helfen, damit es ihr / ihm bald besser geht“
Wenn die Kinder schon älter sind, kann ruhig über den Begriff der Depression gesprochen werden. Dabei sollte klar gemacht werden, dass es sich bei Depressionen um eine Krankheit handelt. Es ist „normal“, dass Menschen krank werden – genauso, wie es „normal“ ist, das manche Menschen Asthma haben oder andere Krankheiten.
Es ist gar nicht so einfach zu erklären, was „normal“ eigentlich bedeutet. Klar, es ist nicht normal Fieber zu haben – trotzdem ist es normal, manchmal an einem Schnupfen zu leiden und im Bett bleiben zu müssen.
Sprechen Sie mit Ihren Kinder auch über die Auswirkungen der Krankheit. Sie sollten verstehen, dass emotionale Distanz und Lustlosigkeit Symptome der Erkrankung sind. Wenn der Vater oder die Mutter nun weniger Zeit mit ihnen verbringt, bedeutet dies nicht, dass er oder sie die Kinder weniger lieb hat. Sie müssen wissen, dass es nicht ihre Schuld ist, wenn der erkrankte Elternteil offensichtlich unglücklich ist.
Für die Angehörigen ist das eine schwierige Situation: Sie müssen Aufgaben des depressiven Partners übernehmen, sich um die Kinder kümmern und sich um den Partner sorgen. Dazu kommen noch Dinge des Alltags und Berufslebens. Es ist ganz natürlich, dass man dabei rasch an seine Grenzen stößt und sich überfordert fühlt. Achten Sie daher auch auf Ihr eigenes Wohlbefinden und sehen Sie sich rechtzeitig um Hilfe um.
Wenn Sie merken, dass alles zu viel wird denken Sie an die Möglichkeit einer Selbsthilfegruppe oder einer Psychotherapie. Gerade bei langfristigen Depressionen empfiehlt es sich, die Familie in die Therapieplanung einzubeziehen. Falls sich Ihr Angehöriger bereits in Behandlung befindet, sprechen Sie mit dem Arzt oder dem Therapeuten auch über Ihre persönliche Situation. Vergessen Sie aber nicht, dass dies nicht hinter dem Rücken Ihres Angehörigen geschehen sollte.
- Manfred Wolfersdorf, Springer Verlag: Depressionen verstehen und bewältigen
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